Das Gesetz des Dschungels

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) äußerte in ihrem jüngsten Zwischenbericht Besorgnis über die weitere Fragmentierung der Weltwirtschaft. Damit ist vor allem die Zollpolitik der USA gemeint. Tatsächlich ist die Unsicherheit umfassender angelegt: Denn wir könnten uns bereits im Übergang von einem regelbasierten System zu einem Zustand befinden, der mit „das Gesetz des Dschungels“ beziehungsweise „das Recht des Stärkeren“ bezeichnet werden könnte.

 

Optimismus nach der US-Wahl

Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA hatte anfangs zu einer Verbesserung der Stimmung geführt – zumindest auf dem US-Kapitalmarkt und unter Wähler:innen der Republikanischen Partei. Die Aussicht auf eine Lockerung im Kartellrecht (Deregulierung), Steuersenkungen, eine Ausweitung der heimischen Energieproduktion und die Schaffung der Abteilung für Regierungseffizienz (DOGE) hatten zu einem zunehmenden Optimismus geführt.

 

Unsicherheit wegen Zickzack-Handelspolitik

Die positive Grundstimmung hat sich mittlerweile eingetrübt. Neben enttäuschend schwachen Indikatoren zum US-Wirtschaftswachstum und fallenden Aktienkursen hatten daran auch einige eher planlos wirkenden Maßnahmen (Entlassungen und abermalige Einstellungen von Regierungsbeamten, Einführung und darauffolgende Aussetzung von Zöllen) der neuen US-Administration einen Anteil. Die Aussagen, wonach Kursrückgänge auf den Aktienmärkten und eine mögliche Rezession in Kauf genommen werden beziehungsweise möglich seien („Entgiftung“), haben nicht geholfen. Die Unsicherheit über die Zielsetzung der Handels-, Sicherheits- und Wechselkurspolitik ist angestiegen. Im Hintergrund könnte sich ein Umbau der gesamten Architektur abzeichnen. Eine Anleitung dazu geben Grundsatzpapiere wie jene des neuen Vorsitzenden des Council of Economic Advisors, Stephen Miran, mit dem Titel: „A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System.“

Als die größte Volkswirtschaft haben die USA seit dem Ende des zweiten Weltkrieges mehrere wichtige Funktionen erfüllt: Eine große Verbrauchernachfrage (gut für exportorientierte Länder), ein regelbasiertes, multilaterales Regierungssystem (unter anderem: Bereitstellung von Krediten), die Bereitstellung von Dollar-Liquidität (im Notfall) und hohe Verteidigungsausgaben (hat den freien Handel ermöglicht). Frei nach Charles Kindleberger, ein führender Experte in internationalen Geld- und Währungsfragen.

 

Kosten höher als Nutzen?

Nunmehr scheinen aus US-Sicht die dadurch entstehenden Kosten höher als der Nutzen zu sein. Denn das konsumgetriebene Wachstum, befeuert durch einen festen US-Dollar (attraktiver Finanzsektor) und ein hohes Budgetdefizit, hätten zu einem permanent hohen Leistungsbilanzdefizit und einer Schwächung des Fertigungssektors geführt. Das soll zugunsten einer Renaissance der Fertigungsindustrie umgestellt werden. Die internationalen Organisationen (Internationaler Währungsfonds, Weltbank, Strafgerichtshof, Welthandelsorganisation, Vereinte Nationen) sollen gemäß einer Durchführungsverordnung des US-Präsidenten auf deren Sinnhaftigkeit überprüft werden. Zu guter Letzt sollen die Bündnispartner der USA die Verteidigungsausgaben erhöhen. „America First“ bedeutet aber nicht den Rückzug von der Funktion als globaler Hegemon. Der US-Dollar soll weiterhin die Funktion als Reservewährung behalten. Lediglich die Ausländer:innen sollen dafür bezahlen. Das wird schwierig.

 

Was das Mar-a-Lago Abkommen beinhaltet

Die Ideensammlung dafür wird mit dem sogenannten Mar-a-Lago Abkommen beschrieben. Es erinnert an das Plaza-Abkommen von 1985 unter den damals führenden Industrieländern G5, das im New Yorker Plaza Hotel unterzeichnet wurde. Es war konventionell und schwächte den Dollar durch gemeinsame Währungsinterventionen gegenüber dem japanischen Yen und der deutschen Mark ab. Mar-a-Lago ist radikal und entspricht einer neuen Version eines Währungsregimes mit oder ohne Zustimmung der anderen Länder.

  • Im Wesentlichen geht es dabei um eine Abwertung des US-Dollar. Eine solche würde zur Schaffung von Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe beitragen (die Arbeitslosenrate ist jedoch niedrig) und das Handelsbilanzdefizit verringern.
  • Gleichzeitig sollen die Renditen der Staatsanleihen gesenkt werden. Normalerweise würde die Erwartung einer Währungsabwertung zu einem Verkauf von US-Dollar-Wertpapieren und Kursverlusten führen. Das könnte mit speziellen Maßnahmen kompensiert werden.
  • Die vom Ausland gehaltenen Dollar-Fremdwährungsreserven sollen in langlaufende Anleihen (100 Jahre oder ewige Anleihen) umgewandelt werden, um den durch die Dollar-Abwertung ausgelösten möglichen Rendite-Anstieg zu begegnen. Das wäre eine neue Version von „Operation Twist“.
  • Zollanhebungen helfen, das Handelsbilanzdefizit zu verringern, andere Länder unter Druck zu setzen und die Staatseinnahmen zu erhöhen.
  • Eine weitere Möglichkeit für höhere Staatseinnahmen und für eine Abschwächung des US-Dollar wäre die Besteuerung von Kapitalzuflüssen in die USA und die Einhebung einer Gebühr für das Halten von US-Dollar Fremdwährungsreserven.
  • Mit der Verbindung der Handels- mit der Sicherheitspolitik kann das Ausland zusätzlich unter Druck gesetzt werden. Für die Bereitstellung einer Sicherheitszone (Schutzschirm) könnten eine Dollar-Abwertung, US-Zollanhebungen ohne Gegenmaßnahmen sowie die Umwandlung in ewige Anleihen akzeptiert werden.
  • Einige Finanzanalyst:innen erwarten außerdem oder stattdessen die Einrichtung eines Staatsfonds, abgesichert durch die Goldreserven der USA, der Nicht-Dollar-Vermögenswerte kauft, um die Kapitalzuflüsse auszugleichen.
  • Nötigenfalls kann die Zentralbank eine Obergrenze für die Renditen einziehen. Damit wird die Unabhängigkeit der Zentralbank vom Finanzministerium in Frage gestellt.

 

Kapitalverkehrskontrollen

Im Prinzip geht es beim Mar-a-Lago Abkommen um eine Änderung des Währungsregimes. Das Trilemma Währungspolitik (Mundell/Fleming) beschreibt, dass es nicht möglich ist, zugleich einen fixen Wechselkurs, eine autonome Geldpolitik und einen freien Kapitalverkehr miteinander zu vereinen. Nur zwei der drei Ziele sind gleichzeitig möglich. Bis jetzt gilt für den US-Dollar: Freie Kapitalbewegungen und geldpolitische Autonomie bedeuten ein flexibles Wechselkursregime. Die Umstellung auf eine Währungsabwertung bei einem gleichzeitigen Erhalt der geldpolitischen Unabhängigkeit (vom Ausland, nicht vom eigenen Finanzministerium) bedeutet Beschränkungen des Kapitalverkehrs (Beispiel: China). Theoretisch könnte eine Währungsabwertung auch mit der Zustimmung des Auslands ohne Kapitalverkehrskontrollen erfolgen (durch sanften Druck). Die Erfolgsaussichten dafür sind fraglich. Solche Maßnahmen würden vielmehr das Risiko einer Abwertungsspirale erhöhen. Andere Länder könnten versuchen, ebenfalls mit einer Abwertung zu antworten.

 

Das Ende der Schuldenbremse in Deutschland

Das scheint alles weit hergeholt? Vielleicht. Möglicherweise ist der größte makroökonomische Effekt der US-Zollpolitik und der Infragestellung der NATO-Beistandsverpflichtung eine expansive Fiskalpolitik in anderen Ländern. Bereits jetzt ist eine Begleiterscheinung der unilateralen US-Politik das Ende der restriktiven Fiskalpolitik in Deutschland (Schuldenbremse). Die Sonderpakte im Gesamtausmaß von rund 20 Prozent des nominellen Bruttoinlandsproduktes sind gewaltig. Wenn eine Rezession in den USA ausbleibt, würden zusätzliche fiskalische Impulse in Europa und möglicherweise in anderen Ländern (Japan, Kanada, Mexiko, China) unterstützend auf das globale Wachstum wirken. Das hätte generell positive Implikationen für die Aktien. Folgesatz: Die Auswirkungen könnten inflationär und damit negativ für Anleihen sein. Der Spielraum für weitere Leitzinssenkungen ist gering.

Lange Rede, kurzer Sinn: Allein die Unsicherheit über die Ausgestaltung der US-Politik (Zollkonflikt oder Mar-a-Lago Abkommen?) ist negativ für die Kapitalmärkte. Die sich abzeichnenden fiskalischen Impulse außerhalb der USA können dies zumindest teilweise kompensieren. Dadurch wird eine Verschiebung der Attraktivität weg vom US-Dollar verursacht. Eigentlich ein Kernziel der US-Politik. 

Erläuterungen zu Fachausdrücken finden Sie in unserem Fonds-ABC.

Bildquelle: Christian Ohde / ChromOrange / picturedesk.com

Wichtige rechtliche Hinweise

Hierbei handelt es sich um eine Werbemitteilung. Bitte lesen Sie den Prospekt des OGAW-Fonds oder „Informationen für Anleger gemäß § 21 AIFMG“ des Alternative Investment Fonds und das Basisinformationsblatt (BIB), bevor Sie eine endgültige Anlageentscheidung treffen.

Sofern nicht anders angegeben, Datenquelle Erste Asset Management GmbH. Unsere Kommunikationssprachen sind Deutsch und Englisch.

Der Prospekt für OGAW-Fonds (sowie dessen allfällige Änderungen) wird entsprechend den Bestimmungen des InvFG 2011 idgF erstellt und veröffentlicht. Für die von der Erste Asset Management GmbH verwalteten Alternative Investment Fonds (AIF) werden entsprechend den Bestimmungen des AIFMG iVm InvFG 2011 „Informationen für Anleger gemäß § 21 AIFMG“ erstellt. Der Prospekt, die „Informationen für Anleger gemäß § 21 AIFMG“ sowie das Basisinformationsblatt sind in der jeweils aktuell gültigen Fassung auf der Homepage www.erste-am.com jeweils in der Rubrik Pflichtveröffentlichungen abrufbar und stehen dem/der interessierten Anleger:in kostenlos am Sitz der Verwaltungsgesellschaft sowie am Sitz der Depotbank zur Verfügung. Das genaue Datum der jeweils letzten Veröffentlichung des Prospekts, die Sprachen, in denen das Basisinformationsblatt erhältlich ist, sowie allfällige weitere Abholstellen der Dokumente, sind auf der Homepage www.erste-am.com ersichtlich. Eine Zusammenfassung der Anlegerrechte ist in deutscher und englischer Sprache auf der Homepage www.erste-am.com/investor-rights abrufbar sowie bei der Verwaltungsgesellschaft erhältlich.

Die Verwaltungsgesellschaft kann beschließen, die Vorkehrungen, die sie für den Vertrieb von Anteilscheinen im Ausland getroffen hat, unter Berücksichtigung der regulatorischen Vorgaben wieder aufzuheben.

Umfassende Informationen zu den mit der Veranlagung möglicherweise verbundenen Risiken sind dem Prospekt bzw. „Informationen für Anleger gemäß § 21 AIFMG“ des jeweiligen Fonds zu entnehmen. Ist die Fondswährung eine andere Währung als die Heimatwährung des/der Anleger:in, so können Änderungen des entsprechenden Wechselkurses den Wert der Anlage sowie die Höhe der im Fonds anfallenden Kosten - umgerechnet in die Heimatwährung - positiv oder negativ beeinflussen.

Unsere Analysen und Schlussfolgerungen sind genereller Natur und berücksichtigen nicht die individuellen Bedürfnisse unserer Anleger:innen hinsichtlich des Ertrags, steuerlicher Situation oder Risikobereitschaft. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Fonds zu. 

Weitere OUR VIEW Beiträge lesen